Als die kleine Lotte zu uns kam, konnte sie schon nicht mehr laufen. Aus trüben Augen starrte sie an mir vorbei in den Raum und nahm die Untersuchung garnicht mehr richtig wahr. Der Besitzer erklärte, dass ein anderer Tierarzt tags zuvor einen Milztumor diagnostiziert hatte und dem Besitzer keine Hoffnung auf Heilung gemacht hatte. Das wollte die Familie so nicht akzeptieren und so saß Lotti einen Tag später auf meinem Behandlungstisch, schwankend mit schloweißen Schleimhäuten und Herzrasen.

Nach Blutuntersuchung und Bauchultraschall stand schnell fest, die Diagnose war falsch. Zwar litt Lotte unter einer extrem starken Anämie (= Blutarmut), dies jedoch nicht durch einen blutenden Milztumor. Die kleine Jack Russel Hündin hatte eine autoimmunhämolytische Anämie (IMHA), d.h. ihr Körper zerstört aus irgendeinem, meist nicht mehr auffindbaren Grund das eigene Blut, bis der Patient an Blutarmut verstirbt.

Also begannen wir nach einem langen Risiko-Kosten-Prognose-Gespräch die immunsupressive Therapie von Lotti. Doch vorerst zerstörte das Immunsystem das Blut sehr schnell weiter, da die eingesetzten Medikamente bis zu 7 Tage benötigen um zu wirken.

Bei einem Hämatokrit von 8% (Normal sind 37-55%) wussten wir: Wir brauchten BLUT, viel BLUT! Dank eines Spenderhundes aus der Familie bekam Lotti genug Blut um abends wieder schwanzwedelnd über die Wiese zu tingeln.

Lottis Immunsystem freute sich und zerstörte alles Blut binnen von drei Tagen erneut..was nun? Diagnose falsch? Medikamente zu schwach? Auslöser übersehen? …die Köpfe rauchten, wieder lange Gespräche. Doch ich wollte nicht aufgeben und Dank der tollen Besitzer von Lotte durften wir ein zweites Mal transfundieren und diesmal klappte es! Lottes Immunsystem war weit genug unterdrückt, dass das gespendete Blut reichte, um die Zeit zu überbrücken, bis wieder genug eigenes Blut gebildet worden war! Endlich konnte die kleine Maus mit einem Beutel voller Medizin und der engmaschigen Kontrolle der Blutwerte die Praxisstation verlassen.

An diesem Tag herrschte zufriedenes Grinsen von der Anmeldung bis ins Backoffice. Denn nichts erfüllt unser Team – von den Empfangsdamen, Azubis,TMFAs und Tierärzten bis zu unseren lieben Hausmeister Jens- mehr mit Freude, als wenn wir dem Sensenmann ein Schnippchen geschlagen haben!

Lotti ist nun seit mehr als 4 Wochen stabil, hatte einen schönen Sommerurlaub mit ihrer Familie und wir können sogar beginnen, erste Medikamente schritteweise (über Monate) zu reduzieren.

Wir bedanken uns bei Lotte für ihren Terrier-Kampfgeist und bei ihren Besitzern für ihr unermüdliche Unterstützung, ihr Vertrauen in unsere Arbeit und ihre Geduld bei der wirklich herausfordernden Behandlung ihres tollen Hundemädchens!

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